Installationen während der Aktion am Schwarzbach.
(Fotos: Sonja Lehnert)
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HOFHEIM - Ingrid Franke, Vorstandsmitglied des Wallauer Fachwerks, und Stadtrat Waldemar Haux eröffneten am vergangenen Sonntag die bemerkenswerte Ausstellung „Der bittere Rest“. Bis zum 31. Oktober werden Unikate ganz besonderer Art im Foyer des Hofheimer Rathauses zu sehen sein. Ihr Anliegen ist dringlich und dennoch mit wertvollem künstlerischen Ausdruck versehen.
Seit Monaten waren Künstlerinnen und Künstler des Wallauer Fachwerks mit dem Thema ihrer Ausstellung, dem in unserer Gesellschaft täglich produzierten Müll, beschäftigt. Noch bevor „Fridays for Future“ auf die Straßen ging, trat die Künstlergruppe bereits mit Aktionen an die Öffentlichkeit und zog (Plastik-)Müll aus dem Boden an Bachläufen, von Äckern und Wäldern. Erschreckend empfand die Gruppe zerbröselnden Plastikmüll, der überall auftauchte.
Eine „etwas andere Ausstellung“
Die Spurensuche, auch mit Zuhilfenahme neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse über Mikroplastik in der Nahrungskette, blieb aber nicht in Verzweiflung und Frustration stecken, sondern fand ihren Ausdruck in künstlerischen Unikaten, die nun die Besucher der Ausstellung zur Handlung auffordern. Über den kreativen Prozess jedes Einzelnen hinaus war zudem die Entwicklung als Team von großer Bedeutung. Mit gemeinsamen Aktionen wie Installationen aus gefundenem Müll am Schwarzbach oder auf einem Feld in Wallau und vielen Diskussionen über künstlerische Standpunkte entwickelten sich Gruppenprozesse, die zur Auseinandersetzung mit dem Thema beitrugen. Der Wunsch der Gruppe ist, dass Besucherinnen und Besucher, auch Schulklassen, innehalten. Die komprimierte Wucht der Müllansammlung inspiriert und motiviert und lässt den Umgang mit dem „bitteren Rest“ überdenken und in Frage stellen.
Ingrid Franke wies in ihrer Begrüßung auf die fehlenden Stellwände hin, die bei vorangegangenen Ausstellungen immer die Ausstellungsflächen bildeten. „Die sieben Künstlerinnen und ein Künstler haben in Eigenregie ein eigenes Konzept erstellt“, erklärte sie, „und sich auch den Raum zunutze gemacht. Man könnte von einer dramaturgischen Inszenierung sprechen.“ Stadtrat Haux lobte, dass sich die Gruppe an dieses schwierige Thema herangewagt habe und „den Dreck der anderen angefasst und etwas daraus gemacht hat“, so wörtlich.
Statements aus dem Mund der Künstler unterstrichen in einer Performance informativ, provokant und bedrückend die Dringlichkeit des Themas. „Tiere haben Müll im Magen, und es befindet sich zwanzigmal mehr Müll im Acker als im Meer“, hieß es. „Wohin wollen wir noch, wie werden unsere Kinder leben?“, stellte sich die Frage. „Das nächste Fest macht sich bereit, die Luftballons, die fliegen weit“, wurde gereimt. Mit langem Applaus honorierten die etwa 120 Besucherinnen und Besucher die sehr persönlichen Statements der Gruppe.
Vielfalt im künstlerischen Ausdruck
Die Exponate zeigen neben dem starken politischen Anliegen ebenso die intensive künstlerische Beschäftigung mit den Themen Müll und Verschmutzung, Überfluss und Konsumgesellschaft. Filz, Buchdruck, Pappmache und Plastik gehören dazu wie Fotografie und Ölmalerei, Materialdruck, Skulpturen und Installationen. Entweder wird „human waste“ direkt fotografiert oder in Collagen fotografisch und real eingefügt. Klemmbretter mit Erklärungen liegen, hängen oder stehen den Kunstwerken bei.
Die vielschichtige Ausstellung ist mehr als einen Besuch wert, denn wie Stadtrat Haux sagte: „Ich bin unendlich froh über diese Ausstellung“, und zu den Gästen gewandt, „machen Sie etwas daraus“.